Während das aktuelle Regierungsabkommen 2020-2024 zwischen ÖVP und Grünen sich des Themas der Doppelstaatsbürgerschaft nicht annimmt, gab es einen eigenen Unterpunkt zu dieser Thematik im ÖVP-FPÖ Regierungsabkommen 2017-2022 (S.33). In diesem wollten die beiden Parteien die „Doppelstaatsbürgerschaft neu denken“ und haben drei konkrete Projekte diskutiert:
(1) „
Doppelstaatsbürgerschaft Südtirol und Alt-Österreicher: Im Geiste der europäischen Integration und zur Förderung einer immer engeren Union der Bürgerinnen und Bürger der Mitgliedstaaten wird in Aussicht genommen, den Angehörigen der Volksgruppen deutscher und ladinischer Muttersprache in Südtirol, für die Österreich auf der Grundlage des Pariser Vertrags und der nachfolgenden späteren Praxis die Schutzfunktion ausübt, die Möglichkeit einräumen, zusätzlich zur italienischen Staatsbürgerschaft die österreichische Staatsbürgerschaft zu bewerben“.
(2) „
Doppelstaatsbürgerschaft für Nachfahren der Opfer des Nationalsozialismus aus Österreich“.
(3)
„Lösung für die Auslandsösterreicher im Vereinigten Königreich, die vom Brexit betroffen sind“.
Von diesen drei geplanten Maßnahmen wurde nur die Maßnahme (2) umgesetzt. Die Umsetzung der Maßnahme (1) scheiterte am Widerstand Italiens während die Maßnahme (3) wohl wegen des verfrühten Koalitionsendes im Gefolge des Ibiza-Skandals. Die Brexit-Frage wurde von der aktuellen Regierung zwischen ÖVP und Grünen nicht mehr berücksichtigt.
Bewertende Analyse
Das wichtige Thema der Doppelstaatsbürgerschaft wird von den im Nationalrat vertretenen Parteien – leider – überwiegend ausgeklammert. Besonders bedauerlich ist es, dass keine der Parteien in den Wahlprogrammen der beiden letzten Nationalratswahlen die Thematik überhaupt erwähnt. Deutlicher wird das ÖVP-FPÖ Regierungsabkommen 2017-2022, welches eine Erweiterung der Doppelstaatsbürgerschaft befürwortet, sich jedoch auf bestimmte Volks-/Bevölkerungsgruppen beschränkt (Südtirol, NS-Opfer, Brexit). Eine generelle Befürwortung der Doppelstaatsbürgerschaft findet sich nur in den Grundsatzprogrammen der Grünen und von NEOS, überraschenderweise jedoch nicht in ihren Wahlprogrammen. Aus Sicht von doppelstaatsbuerger.at positiv ist lediglich die Tatsache, dass sich keine der Parlamentsparteien für weitere Einschränkungen im Vergleich zum Status quo oder für ein vollständiges Verbot der Doppelstaatsbürgerschaft einsetzt.
Ziel der überparteilichen Doppelstaatsbürgerschaftsinitiative
Im Rahmen von Gesprächen mit Vertreter*innen der Parlamentsparteien setzt sich doppelstaatsbuerger.at dafür ein, dass sich die Parteien in ihren Grundsatz- und Wahlprogrammen zum Thema Doppelstaatsbürgerschaft äußern und sich für eine generelle Ermöglichung aussprechen. Ziel ist, dass im kommenden Regierungsabkommen der nächsten Regierung die Doppelstaatsbürgerschaft in konkret umsetzbaren und umfassenden Maßnahmen enthalten ist.
[1]
Grundsatzprogramme legen die generelle Ausrichtung von politischen Parteien fest und werden in größeren und oftmals unregelmäßigen Abständen abgeändert. Sie beinhalten die spezifischen Werte, Ziele und Forderungen von Parteien. Wahlprogramme werden im Vorfeld von Wahlen beschlossen und präsentieren die konkrete Projekte, die eine Partei in der kommenden Legislaturperiode (und auch darüber hinaus) beschließen möchte.
Regierungsabkommen sind das Resultat von Koalitionsverhandlungen zwischen denjenigen Parteien, die eine Regierung bilden und legen die gemeinsamen, während der Legislaturperiode, zu erledigenden Projekte fest.