Zusammenfassung der Befragung zur Wien-Wahl 2020
aus Sicht der Initiative „Doppelstaatsbürgerschaft für Österreich“
Gesetzgebung
Während sich die SPÖ Wien für eine grundsätzliche Neuform des Staatsbürgerschaftsgesetzes ausspricht sowie übervorteilte und benachteiligte Gruppen identifiziert und die Grünen Wien die derzeitigen Regelungen für nicht adäquat halten, ist für die FPÖ eines klar: Die Einzelstaatsbürgerschaft ist ein geeignetes Instrument, um „die Spreu vom Weizen zu trennen“, um zu erkennen, wer wirklich Österreicher werden möchte und wer nicht. Auf die Situation der Auslandsösterreicherinnen und -österreicher umgelegt: Wer Österreicherin oder Österreicher ist, der sucht um keine andere Staatsbürgerschaft an.
Auch die ÖVP stellt weder eine Zeit- noch Zweckmäßigkeit in Frage, verweist statt dessen auf die Möglichkeit, in besonderen Fällen Ausnahmen zu machen, erkennt insofern keinen Handlungsbedarf und spricht sich für die Beibehaltung des Status quo aus.
Wie die SPÖ Wien und die Grünen Wien sehen auch NEOS, LINKS und Volt die Gesetzgebung vor dem Hintergrund einer globalisierten Welt als nicht zeitgemäß an. Das Wiff stellt generell fest, dass die derzeitige Situation punkto Beibehaltung der österreichischen Staatsbürgerschaft zu einer Doppelmoral führt, und kritisiert diesen Zustand. SPÖ Wien, die Grünen Wien, Volt, LINKS positionieren sich in der Frage Gesetzgebung schlussendlich vergleichbar. Festzustellen ist ein Konsens: dass ein Paradigmenwechsel und eine Neuform punkto Gesetzgebung angezeigt sind.
Vollzug
In Bezug auf den generellen Output der MA35 ist eine hohe Meinungsübereinstimmung unter FPÖ, NEOS, LINKS und Volt festzustellen. VOLT merkt an, dass ihr die Schwierigkeiten anderer, bisher aber nicht der durch uns repräsentierten Gruppe bekannt waren. Die SPÖ, die derzeit den für diese Abteilung zuständigen Stadtrat stellt, verweist auf auf das zu bewältigende Arbeitspensum und auf eine aus ihrer Sicht erfolgte Effizienzsteigerung in den letzten Jahren. Die Grünen, als Teil der rot-grünen Wiener Stadtregierung mitverantwortlich, weichen der Frage mit Hinweis auf die Neuorganisation aus. Die ÖVP beruft sich auf ihre Oppositionsrolle, um ihre Unkenntnis der Zustände im Vollzugsbereich der MA35 zu erklären. Konsens besteht in allen genannten Parteien darüber, dass strukturell und organisatorisch eine Professionalisierung dieser Magistratsabteilung dringend notwendig ist und sie nach ihren Möglichkeiten darauf hinwirken werden.
Die Grünen:
"Die Grünen Wien halten die gesetzlichen Regelungen für nicht adäquat, weder bei Verlust, noch bei Erwerb der Österreichischen Staatsbürger*innenschaft. Es ist uns – gerade auch in Zeiten des Brexit – eine wichtige Forderung, erstens eine Erleichterung der Doppelstaats-bürger*innenschaft zu gewähren, aber auch, das mag formal klingen, hat aber grosse Symbolik, das Thema Erwerb eines fremden Bürgers*innenschaft nicht im Abschnitt III (StbG ' 26 ff) subsumieren."
ÖVP:
"Das geltende österreichische Staatsbürgerschaftsrecht lässt keine Doppel- oder Mehrfachstaatsbürgerschaften zu. Seitens der ÖVP sind diesbezüglich keine Änderungen geplant. Ausnahmen sind in besonderen Fällen möglich. Seit Anfang September 2020 können zusätzlich zu den Opfer des NS-Regimes auch deren Nachkommen mit ausländischer Staatsbürgerschaft die österreichische Staatsbürgerschaft einfach per sogenannter Anzeige erhalten. Dabei ist eine Doppelstaatsbürgerschaft aus österreichischer Sicht zulässig."
LINKS:
"LINKS hält das Konzept Staatsbürger*innenschaft generell für fragwürdig. Wir bekennen uns zum grundsätzlichen Recht auf Freizügigkeit als Menschenrecht gemãß der Charta von Palermo. Solange das System ,,Staatsbürger*innenschaft" besteht, spricht sich LINKS aber klar für Doppel- und Mehrfachstaatsbürger*innenschaften aus. Konsequenterweise halten wir die derzeitige Regelung weder fur zeitgemäß noch für richtig."
Die Magistratsabteilung 35 Wien (MA 35) ist u. a. Vollzugsbehörde für Beibehaltungsanträge Staatsbürgerschaft von Auslandsösterreicherinnen und -österreicheern a) mit Evidenz Wien sowie b) ohne Evidenz in Österreich. Somit ist die MA 35 neben anderen Aufgaben für einen hohen Anteil an Auslandsösterreicherinnen und -österreichern die zuständige und dienstleistende Stelle. In der Auslandsösterreicher Community herrscht große Unzufriedenheit mit der MA 35. Im Bereich der Antragstellung auf Beibehaltung sind Bearbeitungsfristen von über sechs Monaten und länger kein Einzelfall. Für antragstellende
Auslandsösterreicherinnen und -österreicher sowie für deren Familien bedeutet diese Situation der nicht absehbaren Prüfungs- und Vollzugsdauer eine psychischen Belastung. Laut Pressebericht wird die MA 35 derzeit strukturell neu organisiert.
ÖVP:
"Die Probleme in Bezug auf die MA 35 sind uns bekannt, wir haben aber als Oppositionspartei keinen näheren Einblick. Das betrifft auch die medial angekündigte strukturelle Neuor-ganisation der MA 35. Um eine bessere Qualität zu gewährleisten, bedarf es vor allem mehr Transparenz, dafür werden wir uns einsetzen."
NEOS:
"Ja. Bei der Volksanwaltschaft, bei Anwälten, NGOs und Betroffenen steht die Abteilung seit vielen Jahren in der Kritik. Alleine schon die Google-Rezensionen der MA 35 sind schockierend. Es wird von Desinformation, schikanösen und überforderten Beamten, langen Wartezeiten und regelmäßiger Überschreitung von Bearbeitungsfristen berichtet. Die Untätigkeit der rot-grünen Wiener Landesregierung in diesem Bereich ist unverständlich. Siehe z.B.
LINKS:
"Ja. Generell haben viele unserer Aktivist*innen und Menschen denen wir politisch wie menschlich nahe stehen Erfahrungen mit der MA35 machen müssen, die alles andere als erfreulich waren. Vor allem mangelt es hier oft an Transparenz: Listen an Dokumenten, die zum Erhalt bestimmtet Bescheide benötigt werden variieren von Fall zu Fall, Bearbeitungsprozesse und -zeiten sind nicht nachvollziehbar, Umgangsformen lassen – vor allem bei Verständigungsproblemen – oft zu wünschen übrig. Daher fordern wir auch in unserem Programm die Vereinfachung und Beschleunigung der Verfahren der MA35, sowie generell die bessere, diversere Personalausstattung und bessere Schulung von Mitarbeiter*innen der Magistrate."
WIFF:
"Wien zählt – angeblich – zu den bestverwalteten Städten der Welt. Das mag für die Bereiche Wasser, Kanal, Müll u. a. durchaus zutreffen – in manchen MA-Abteilungen scheint aber das digitale Zeitalter längst noch nicht eingezogen zu sein. Bezeichnend: Beim Wiener Magistrat gibt es trotz Corona (Covid) keine Kurzarbeit, dafür aber die Home-Office-Regelung. Was in der von vielen uns bekannten Beschwerdeführern erlebten Praxis die Vermutung nährt: Ein Teil der "Binnendienstler" in der Beamtenschaft scheint auf Teilzeit-Urlaub zu sein. Sollte WIFF–Wir für Floridsdorf der Einzug in den Wiener Gemeinderat gelingen, werden wir alles tun, um eine Mehrheit für eine umfassende Reform des Magistratswesens in der Bundeshauptstadt zustande zu bringen nach dem Motto: "Rasch – effizient – logisch"."